Ferien auf dem Bauernhof bereichern Kinder mit vielen positiven Naturerfahrungen. Warum diese für die Persönlichkeitsentwicklung wertvoll sind und wie sich Großeltern entsprechend einbringen können, erklärt der Erziehungswissenschaftler und Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut Professor Dr. Ulrich Gebhard.
Vo n B e t t i n a K e p p l e r
Sie forschen und arbeiten unter anderem zu Naturerfahrungen in der Kindheit. Inwiefern bereichert der Kontakt mit der Natur die kindliche Entwicklung?
Die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zeigen, dass Naturerfahrungen unseren Kindern in körperlicher und seelischer Hinsicht guttun. Natürliche Strukturen mit ihren vielfältigen Formen, Materialien und Farben fördern die Fantasie und regen dazu an, sich mit sich selbst und der Welt zu befassen. Das Herumstreunen in Wiesen und Wäldern oder ungenutzten Freiräumen kann Sehnsüchte nach „Wildnis“ und Abenteuer befriedigen. Zudem zeigt sich, dass das Kinderspiel in Naturerfahrungsräumen komplexer, kreativer und selbstbestimmter ist.
Untersuchungsergebnissen zufolge fördern Naturerfahrungen insbesondere die psychische Entwicklung des Kindes positiv. Warum?
Die Natur bietet eine Vielzahl von Eigenschaften, die für die psychische Entwicklung förderlich sind. Vor allem finden wir in der Natur eine vielfältige und ausgewogene Reizumgebung, deren Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung immer wieder betont wird. Weder eine reizarme noch eine überreizte Umwelt, wie wir sie in unseren Städten oder auch in unserer sehr medialisierten Welt vorfinden, sind für unsere psychische und kognitive Entwicklung förderlich. Eine naturnahe Umgebung ist dagegen ein sehr gutes Beispiel für eine ausgewogene Reizumgebung: Sie ist immer wieder neu, beispielsweise im Wechsel der Jahreszeiten, und doch bietet sie die Erfahrung von Verlässlichkeit und Sicherheit: Der Baum im Garten etwa überdauert die Zeitläufte der Kindheit und steht so für Kontinuität.
Was wissen wir über gesundheitliche Folgen von fehlenden Naturerfahrungen? Und inwiefern können gerade Großeltern hier entgegenwirken?
Die Befunde zur belebenden und gesundheitsfördernden Wirkung von Natur sind vielfältig. Der Zusammenhang von Naturerfahrungen und Gesundheit wird häufig mit evolutionären Annahmen in Verbindung gebracht. Das ist die sogenannte Biophilie-Hypothese. Nach psychologischen Theorien wirken sich Naturerfahrungen deshalb günstig auf die Gesundheit aus, weil sie einen Abstand zur Alltagsroutine ermöglichen und weil Naturerfahrungen Aufmerksamkeit provozieren, die nicht anstrengt. Großeltern fördern diesen Prozess, indem sie möglichst viel mit ihren Enkeln in der Natur unternehmen.
Was können Großeltern in einer Großstadt tun, um ihren Enkeln genügend Naturerfahrungen zu ermöglichen?
Natürlich ist der eigene Garten eine schöne Möglichkeit, das gilt vor allem für kleinere Kinder. Gemeinsame Unternehmungen, Wanderungen in der Natur oder im Wald fördern selbstverständlich positive Naturerfahrungen. Insbesondere dann, wenn das Interesse der Kinder bestärkt wird und es sich spielerisch entfalten kann. Denn Naturerfahrungen sollen vor allem Spaß machen.