Enkeltochter Anja Flieda Fritzsche hat die unglaublichen Geschichten ihrer beiden Omas festgehalten – mit Erfolg.
Text und Interview von Sven Crefeld
Als einziges Enkelmädchen hatte Anja Flieda Fritzsche natürlich die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Omas. Doch als beide Frauen schon ein biblisches Alter erreicht hatten, schlich sich ein Buch heran, das umgekehrt den Großmüttern die ganze Aufmerksamkeit schenkte. Das heißt, es waren schließlich sogar zwei Bücher … Sie heißen „Oma, die Nachtcreme ist für 30-Jährige!“ und „Spätzchen, 109 ist doch kein Alter!“ Mit Text und Bild transportieren sie die Energie, die Lebensfreude und den Witz von Oma Maria und Oma Mia.
Für Enkelin Anja hatte eigentlich alles ganz easy begonnen: Mit einem Facebook-Account, auf dem sie manchmal auch Fotos und lustige Sprüche ihrer Oma Maria postete. Das fand so viele Fans, dass ein großer Buchverlag auf sie aufmerksam wurde. Da war es ein Glücksfall, dass Enkelin und Großmutter sich nicht nur super verstanden, sondern auch täglich zusammen sein konnten. So „rettete“ Anja Fritzsche viele der schlagfertigen und amüsanten Antworten, die Oma Maria im Gespräch über dies und das gab. Das erste Buch wurde ein Bestseller.
Noch mit 108 Jahren schrieb Anjas Großmutter fleißig Autogramme. Sie ist der überzeugende Beweis dafür, dass man auch im hohen Alter mit großer Lebendigkeit an der modernen Welt teilhaben kann. Mit Interesse für die ungeahnten Möglichkeiten, die das Smartphone und Social Media bieten – gerade für ältere Menschen, um in Kontakt mit Jüngeren zu bleiben. Auch die zweite Großmutter, Oma Mia, bekam noch „ihr“ Buch von und mit Enkelin Anja. So sind beide Omas jenseits der 100 späte Heldinnen geworden – wer schreibt, der bleibt.
Anja Flieda Fritzsche Oma, die Nachtcreme ist für 30-Jährige! Die unglaublichen Geschichten einer 107-Jährigen 240 Seiten, 10,99 Euro,
ISBN 978-3-548-37775-9, Ullstein Taschenbuch
Anja Flieda Fritzsche, Spätzchen, 109 ist doch kein Alter , Unglaubliche Geschichten und wahre Lebensrezepte meiner beiden Omas, 240 Seiten, 12,99 Euro,
ISBN 978-3-548-06619-6, Ullstein Taschenbuch
Was sofort in den Dialogen auffällt, ist der wunderbare Humor von Oma Maria …
Ja, meine Oma war sehr schlagfertig. Als sie mal bei mir übernachtete, hatte sie keine Gesichtscreme dabei, und ich sagte: „Oma, ich habe nur eine Nachtcreme für 30-Jährige!“ Darauf antwortete sie: „Danke dir, Spätzchen, ich kann’s kaum erwarten, morgen aufzuwachen!“ Ihre Lebensfreude im Alter war ansteckend.
Warum ist das so?
Meine Oma hatte den Vorteil, mit meinem Vater zusammenzuwohnen, das heißt, sie hatte einen Gesellschafter. Meine Mutter lebte übrigens auch mit ihrer Mutter zusammen, meiner anderen Oma Mia, die 104 Jahre alt wurde. Ich merke bei vielen Menschen: Wenn du keinen Ansprechpartner mehr hast und nicht jeden Tag herausgefordert wirst, lässt die Lebensfreude nach.
Sollte dieses Zusammenleben der Generationen nicht öfter passieren?
Ich will nicht von anderen Leuten verlangen, dass sie uns als Vorbild sehen, wir sind nur ein Beispiel. Familie kann toll sein, aber auch schwierig und herausfordernd. Man kann nicht erzwingen, dass es so eine Chemie gibt. Wenn man einen Menschen gefunden hat, ob Familie oder nicht, mit dem eine solche Verbindung funktioniert, dann ist es schon wert, das bis ins hohe Alter zu halten, und dann macht es auch Spaß.
In diesem Fall ging es sogar miteinander in den Urlaub, drei Generationen gemeinsam unterwegs. Wie kam das?
Wir hatten großes Glück, weil beide Omas noch so agil waren. Wir sind z. B. einmal nach Mallorca geflogen, als Maria schon 106 war. Jahre nach ihrer Oberschenkel- Halsbruch-OP mit 103. Das glaubt dir ja keiner! Du brauchst bis ins hohe Alter eine Aufgabe und ein Ziel. Das ist es, was dich automatisch jeden Tag aus dem Bett holt. Bei meiner Oma war es das Reisen und immer wieder Neues zu entdecken. Für sie war es von Vorteil, dass sie nun fliegen konnte. Es ging nicht mehr wie früher mit dem Bus nach Jugoslawien. Wir wollten auch noch nach Thailand, aber sie sagte: „Ach komm, jetzt machen wir noch einmal Spanien …“ Dieses „einmal Spanien“ ist uns bis zum Schluss geblieben.
Klingt nicht nach einem langweiligen Lebensabend.
Meine Oma war nie wie eine Oma. Sie hat sehr auf ihr Äußeres geachtet, hatte die Haare immer schön. Sie kam jedes Jahr nach den langen Wintermonaten braungebrannt und wie das blühende Leben aus Spanien zurück. Inzwischen merkt man, dass auch heute die 70- oder 80-Jährigen „jünger“ werden und was für sich tun. Außerdem hat meine Oma bis 107, 108 noch gerne und charmant geflirtet, das war ihr Hobby.
Verwechslung: Auf der Reise in Mallorca mit Vater (75) und Oma Maria (106) wurde Anja Fritzsche darauf angesprochen, was für eine engagierte Pflegerin sie sei … „Ich bin Tochter und Enkelin“, klärte sie auf.
Prien am Chiemsee: Oma Mias 103. Geburtstag mit nostalgischer Dampflok von 1887
Das letzte Weihnachten mit Oma Maria (108) und Oma Mia (100): „Was brennt denn da hinten? Der Fernseher?“