Auf ins Leben

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Kinder brauchen Wurzeln und Flügel! Das wusste bereits Goethe vor zweihundert Jahren. Heute sind es zunehmend Großeltern, die ihre Enkelkinder beim Heranwachsen begleiten, ihnen Nestwärme vermitteln und ihre Neugierde auf die große weite Welt fördern. „Auf ins Leben“ heißt das Credo, wenn Oma und Opa mit ihrer Zeit, ihrer Aufmerksamkeit und ihrem praktischen Wissen den Weg der Enkel begleiten. 

Mal Fußballer, mal Wissenschaftlerin, dann wieder Seelentröster: Großeltern finden sich in vielen verschiedenen Rollen wieder! Sie sind als Vertrauensinstanz und Ratgeber wichtige Bezugspersonen für ihre Enkel und verleihen durch ihre Fürsorge den kindlichen Flügeln Auftrieb. Wenn die geliebte Großmutter auch gleichzeitig noch mit Leib und Seele Erzieherin ist, haben die Enkel das große Los gezogen. 

 

Endlich Wochenende! Allein dieses Gefühl kann für eine in Vollzeit arbeitende Erzieherin wie Lucyna schon sehr großartig sein. Aber es kommt noch besser! Heute ist nicht irgendein Wochenende, sondern eben genau dieses, an dem die beiden Enkelbuben bei ihr zu Besuch sein dürfen. Ein- oder zweimal im Monat klingelt es freitags pünktlich um 18 Uhr an ihrer Haustür. „Omiiii“, ruft der eine, „Omaaa“, der andere. Aber beide eint die Vorfreude auf die kommenden Stunden und auf das bevorstehende Ritual, an dem alle festhalten: Denn kaum sind die Köfferchen abgestellt, die Jacken ausgezogen, die Großmutter geherzt und der Großvater geknufft – schallt es unisono aus beiden Kindermündern: „Wir haben Hunger!!!!!“ Ohne Umwege geht es direkt in die Küche der Großmutter. Die Buben schieben einen Stuhl an den Kühlschrank, der eine reicht dem anderen Butter, Eier und Speck. Mit viel Spaß und voller Stolz bereiten beide ihr Rührei: ganz selbstständig, schön nacheinander und individuell verschieden kreiert. Das Essen landet auf den Tellern und manchmal auch daneben … „Macht nichts“, lacht die Großmutter. Nach dem Abendbrot geht es in die Badewanne und dann wartet auch schon die Gutenachtgeschichte von Großmutter Lucyna. Am nächsten Morgen werden in Schlafanzügen und bei selbst kreiertem Honigmüsli sogleich die Pläne für die kommenden Stunden geschmiedet: zusammen basteln? Vielleicht auch raus in den Park gehen und Vögel beobachten? Oder das Angebot der nahen, großen Stadt nutzen: die Münchner Museen besuchen oder den Zoo, das Marionetten- oder das Puppentheater, die Altstadt oder den Olympiapark? Vielleicht bleiben aber auch alle einfach zu Hause, um miteinander zu backen, zu kochen, zu spielen … es gibt so viel Gemeinsames zu erleben und die Stunden bei den geliebten Großeltern gehen leider immer zu schnell vorbei! 

 

LEBENSFROHE WEGBEGLEITERIN

Action anstatt Füße hochlegen. Ein Wochenende mit den Enkeln nach einer anstrengenden Woche ist für die 61-jährige Lucyna kein Problem. Im Gegenteil! Sie selbst bezeichnet sich als sehr belastbar und ein Leben ohne Kinder kann sie sich überhaupt nicht vorstellen. Knapp 20 Mädchen und Buben betreut sie während der Woche, im Alter von drei bis sechs Jahren. Sie will beobachten und den Kindern helfen, sich selbst zu erkennen. Sie dabei unterstützen, Kind sein zu dürfen, die eigenen Fähigkeiten einzuschätzen und weiterzuentwickeln. Mit ihrer Freundlichkeit und ihrem ebenso offenen wie gelassenen Wesen öffnet sie Herzen und überbrückt Distanzen. Eigenschaften, die ihr in ihrem Berufsalltag eine wichtige Hilfe sind. „Eigentlich wollte ich Gärten gestalten. Aber meine Tante meinte, ich solle doch Erzieherin werden. Das habe ich vor 41 Jahren auch gemacht und diesen Schritt nie bereut“, sagt Lucyna zufrieden. Seither war und ist sie für Hunderte Kinder gleichermaßen Kummerkasten, Motivatorin, Vorbild und Vertraute in Personalunion. Als Wegbegleiterin hilft sie beim Start ins Leben, trägt tagtäglich dazu bei, dass aus kleinen Jungen und Mädchen großartige Erwachsene werden, die ihr Leben selbstbestimmt, sozial und erfolgreich gestalten können. 

 

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Sind die Möhren schon reif? Wenn Enkel Moritz Zeit mit seinem Großvater verbringt, wird auch fleißig geerntet.

 

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Ursprünglich wollte Lucyna eigentlich Gärten gestalten. Zum Glück vieler Kinder hat sie das nur zu ihrem Hobby gemacht.Ursprünglich wollte Lucyna eigentlich Gärten gestalten. Zum Glück vieler Kinder hat sie das nur zu ihrem Hobby gemacht.

 

ENKELKINDER BRINGEN NEUE ERFAHRUNG 

Auch privat, als Großmutter, ist sie mit ganzem Herzen eine Beobachterin und Begleiterin im spannenden kindlichen Alltag ihrer beiden Enkelbuben. Als vor acht Jahren Moritz zur Welt kam und sie zum ersten Mal Großmutter wurde, war die Freude riesig. „Wir haben die Nachricht im Urlaub bekommen, in der Früh. Ich habe gleich geschrien: Das Kind ist da!!!!! Und vor lauter Freude geweint, mein Mann war auch ganz gerührt“, erzählt sie rückblickend. Drei Jahre später folgte Elias, und das Enkelglück ist perfekt. Weil sie selbst ein Einzelkind war und auch ihr Sohn ohne Geschwister blieb, ist dieser Enkel-Doppelpack für Lucyna etwas ganz Besonderes. „Ich erlebe mit den Enkeln zwei Kinder auf einmal! Das habe ich nie gehabt, nie gekannt, zwei Persönlichkeiten, die immer mehr fordern und lustig sind. Wenn sie bei mir sind, stehen sie absolut im Mittelpunkt und haben meine volle Aufmerksamkeit und Zeit. Sie können viel ausprobieren, wir machen gemeinsam viel Unsinn und lachen zusammen.“ 

 

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Auf ins Leben! Enkel Elias genießt die Aufmerksamkeit seiner Großmutter und den gemeinsamen Spaß am Gärtnern!

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Moritz hat gut lachen! Mit den Großeltern ist immer etwas los und viel Freude garantiert.

 

STUDIEN ZEIGEN: DER BEITRAG DER GROSS-ELTERN BEREICHERT! 

Zugewandt, verständnisvoll, aufmerksam. Großeltern gelten in Deutschland als die wichtigste Instanz bei der Kinderbetreuung neben den Eltern, Kindertageseinrichtungen und Tagesmüttern. Mehr als 20 Millionen Großeltern gibt es in Deutschland und vier Milliarden. Stunden verbringen sie jährlich mit ihren Enkeln. Nicht nur für diese beiden Generationen eine Win-win-Situation, wie die Ergebnisse der im Sommer 2022 vorgestellten Studie „Oma und Opa gefragt? Veränderungen in der Enkelbetreuung – Wohlbefinden von Eltern – Wohlergehen von Kindern“ belegt: Oma und Opa sind insbesondere für junge Mütter eine bedeutende Hilfe. Diese zeigen sich um elf Prozent deutlich zufriedener mit ihrer eigenen Kinderbetreuungssituation, was sich wiederum positiv auf die Kinder auswirkt – Fazit: Zufriedene Mütter haben sozioemotional stabilere Kinder – dank der liebevollen Betreuung der Großeltern! 

 

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Mit Enkel Moritz (vorne links) begann vor acht Jahren das Enkelglück für die beiden engagierten Großeltern, das durch Enkel Elias perfekt wurde.

 

 

GEMEINSAME RITUALE UND WISSENS-EXPEDITIONEN 

Die Studie zeigte auch, dass in einer normalen Woche regelmäßig zwischen 20 und 40 Prozent der Mädchen und Jungen unter zehn Jahren von den Großeltern beaufsichtigt werden. Neben den Wochenendbesuchen betreut Lucyna ihre Enkelbuben entsprechend immer am Montag. Dann holt sie die beiden von der Schule und dem Kindergarten ab. Meistens geht es als Erstes zum Bäcker, wo die Verkäuferin die drei herzlich und vertraut begrüßt: „Ah, ich weiß schon: zweimal Früchtetee, einmal Waldbeerentee“, lacht sie wissend. Alle – auch die Großmutter – suchen sich etwas zum Essen aus und dann wird erst mal geredet: „Wie war dein Tag, Oma?“, fragt Enkel Moritz interessiert und beißt in seine Butterbrezel. Lucyna erzählt und ist neugierig auf das, was die Enkel beschäftigt. An diesem Montag sind die beiden mit dem Roller unterwegs und sie möchten gerne noch in den nahe gelegenen Rollerpark. „Das haben wir dann auch gemacht! Die Kinder konnten sich noch ein bisschen austoben und für mich war es auch interessant. Ich bin sehr offen für die Vorschläge meiner Enkel, weil ich dann auch noch viel lerne. Und wenn ich sehe, was sie schon alles können, macht mich das sehr stolz“, erzählt sie schmunzelnd und ergänzt, wie wichtig ihr eine gute Entwicklung der Kinder ist, die sie manchmal auch sehr gezielt unterstützt.

Zum Beispiel beim letzten gemeinsamen Urlaub. „Wir waren an der Ostsee und ich wollte meinen Enkeln etwas über Bernstein beibringen. Erst mal haben wir geredet und im Internet recherchiert, was Bernstein ist und wie er entsteht. Wir haben Orte besucht, wo es Bernstein zu kaufen gibt. Dann sind wir in den Nadelwald mit all seinem Harz und philosophierten, was das in ein paar Millionen Jahren sein könnte. Ja, und am Strand haben wir kleine Steinchen angeschaut und der Elias, der Kleinere, hat immer gefragt: ‚Ist das Bernstein, oder ist das Bernstein?‘. Abschließend haben wir noch das Bernstein-Museum besucht. Hier wurde alles noch einmal ganz genau gezeigt, was alles aus Bernstein gemacht wird. Also, das Thema hat sie total mitgerissen“, erklärt sie stolz. Und man ahnt es: Sie ist für das Kreative zuständig. Ihr Mann kann damit nichts anfangen. „Er ist zum Raufen und Kräftemessen da. Dann wuschelt er beim Vorbeigehen durch das Haar von Moritz oder Elias und animiert sie. Es entsteht ein bisschen eine Rauferei mit viel Lachen … und wenn mein Mann nicht mehr kann, dann sagt er: ,Okay, okay, okay, es reicht.‘ Meistens muss er aufgeben“, lacht sie zufrieden und genießt die Nähe dieser besonderen, intensiven familiären Bindung, die so wichtig ist: für ihr persönliches, aber auch für das Glück ihrer Kinder und Kindeskinder. 

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